Q11 im Theater: Faust trifft Gretchen und Mephisto funkt dazwischen

Die Kurzfassung: Um sein Verlangen nach Erkenntnis und Lust zu stillen, verschreibt sich der Rastlos strebende Faust dem Teufel und zerstört das Leben eines unschuldigen Mädchens – Margarethe. So weit so gut. Wenn dann aber in der Hexenküche plötzlich plastische Hexenchirurginnen am Werk sind, wenn Faust im Smartphone die Antwort auf die Frage, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, sucht und Mephisto eine Frau ist – dann ist Goethes Meisterwerk im 21. Jahrhundert angekommen.
Anna Funk, die selbst den Mephisto spielt, versteht es meisterlich, das Stück zu modernisieren ohne ihm die Magie von Goethes Worten zu rauben. So sind sie alle drin, die Zitate, die jeder kennt, die Szenen, auf die alle warten, teilweise grandios neu arrangiert und zeitlos interpretiert. Das Anna-Funk-Ensemble zeigt Szenen, die zur Goethezeite noch nicht gezeigt werden konnten und bleibt dem Klassiker dennoch auf ihre eigene Weise treu: Rock‘n’Roll auf der Bühne – das ist der Faust nun einmal schon immer gewesen. Doch am Ende bleibt dann doch ein irritierender Moment, alle warten auf die befreienden himmlischen Schlussworte, das erlösende „Ist gerettet“ für das arme Gretchen – doch sie kommen nicht. Wie jetzt? Gretchen wird nicht gerettet? Wie ist das denn jetzt zu interpretieren?
„Das war die einzige Panne, die gestern passiert ist“, erklärt Frau Funk dem Deutschkurs am nächsten Tag in der Schule und nimmt es mit Humor. „Der Schauspieler, der die Worte „Ist gerettet“ hätte sagen sollen, hat seinen Einsatz schlichtweg verpasst.“ Auch das ist Theater, stellen wir fest. In einer 45-minütigen Nachbesprechung dürfen wir alle Fragen zum Stück loswerden und die Regisseurin selbst steht Rede und Antwort. Ob es schwer gewesen sei, das Drama so drastisch zu kürzen? Wie es ist, Mephisto als Frau zu spielen? Warum nach Fausts Selbstmordversuch keine Kirchenglocken ertönen? Und wieso man heutzutage überhaupt noch den Faust auf die Bühne bringen will? Frau Funks leidenschaftliche Antworten zeigen, wie intensiv sie mit diesem Stück verbunden ist und zieht – wie am Abend zuvor auf der Bühne – auch im Klassenzimmer alle in ihren Bann. Wir sagen danke für dieses einzigartige Theatererlebnis.